HIOB

Ein Rock-Oratorium

Textauszug

 

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© Jürgen Rocholl / FACE

No. 6 Schweigen und Klagen

Hiob:

Versunken und vergessen sei der Tag, an dem ich einst geboren wurde. Und auch die Nacht, in der man mich zeugte. Gott, mach doch diesen Tag zu Finsternis. Streich ihn aus dem Gedächtnis, und lass ihn niemals mehr das Licht erblicjen! Auch jene Nacht, das Dunkel soll sie holen! Mach diese Nacht unfruchtbar, kein Jubel soll ertönen! Wär´ ich doch gleich bei der Geburt gestorben oder im Bauch meiner Mutter!

Hiob/Chor:

Warum gibt Gott den Menschen Licht und Leben, ein Leben voller Bitterkeit und Mühe? Sie warten auf den Tod, doch der bleibt aus. Sie jubeln beim Gedanken an ihr Grab. Mit einem Zaun hält Gott mich eingeschlossen. Wohin mein Leben führt, ist mir verborgen, Nur unter Stöhnen esse ich mein Brot, mein Klagen hört nicht auf, es fließt wie Wasser. Hab ich vor etwas Angst, so trifft es mich. Wovor ich zittere, das kommt bestimmt. Ich habe keinen Frieden, keine Ruhe, nur Schrecken über Schrecken fällt mich an.

 

No.11 Quartett

Elfas:

Du untergräbst das Fundament des Glaubens, machst frommes Leben ganz und gar unmöglich!

Bildad:

Es ist die Schuld, die dich so reden lässt, auch wenn du sie mit schlauen Worten leugnest.

Zofar:

Du richtest deinen Jammer gegen Gott Und klagst ihn an mit lästerlichen Worten.

Alle drei:

Meinst du im Ernst, es gäbe einen Menschen, der rein und schuldlos ist vor seinem Gott?

Elifas:

Nicht einmal seinen Engeln kann er trauen.

Bildad:

und selbst der Himmel ist für ihn nicht rein.

Zofas:

Der Mensch jedoch tut Unrecht ebenso alltäglich,

Alle drei:

wie wenn er einen Becher Wasser trinkt. Der Böse lebt in Angst all seine Jahre. Er weiß, der Untergang ist ihm gewiss. Der Tag der Finsternis stürzt ihn in Schrecken, im Frieden kommt Verwüstung über ihn. So geht´s dem Mann, der seine Fäuste ballt, Gott, dem Gewaltigen, den Krieg erklärt. Er gleicht dem Baum, das Feuer frisst die Zweige, am Ende fegt ihn Gottes Atem fort! Du denkst doch nicht, er zieht dich vor Gericht, weil du ihn ehrst und ihm gehorsam bist? Es kann nur wegen deiner Bosheit sein und weil du immer wieder Unrecht tust.

Hiob:

Gott hat sein Ziel erreicht, ich bin am Ende. Rings um mich ist es menschenleer geworden. Er gräbt mir tiefe Falten ins Gesicht, und all das soll nun meine Schuld beweisen? Die Leute rotten sich um mich zusammen. Sie schlagen mir voll Feindschaft ins Gesicht. Aus meinem Frieden hat Gott mich gerissen. Er schlägt mir eine Wunde nach der andern. Das Trauerkleid ist meine zweite Haut. Besiegt und kraftlos liege ich im Staub. Ganz heiß ist mein Gesicht vom vielen Weinen, und meine Augen sind umringt von dunklen Schatten. Aber an meinen Händen klebt kein Unrecht! Und mein Gebet ist frei von Heuchelei! Hör mich, du Erde, deck mein Blut nicht zu, damit mein Schreien nicht zur Ruhe kommt!

Hiob/Chor:

Im Himmel muss doch einer für mich aufsteh´n, der dort mein Recht vertritt und für mich bürgt. Gott, der mein Freund ist, muss mir Recht verschaffen Und Gott, den Feind, in seine Schranken weisen!

Bildad:

Du reißt dich selbst vor Wut in Stücke. Die ganze Erde soll entvölkert werden. Die Felsen sollen fort von ihrer Stelle Und alles nur, damit du Recht behältst.

Elifas:

Es bleibt dabei, ein böser Mensch geht unter, das Licht in seinem Leben wird erlöschen. In seinem Zelte brennt die Lampe nieder, genauso geht sein Lebensglück zu Ende.

Zofas:

Seit Gott die Menschen auf die Erde setzte, war die Freude des Verbrechers bald vorbei. Der Himmel zeigt sein volles Unrecht an, Die Erde spricht als Zeuge gegen ihn.

Alle drei:

Du denkst doch nicht, er zieht dich vor Gericht, weil du ihn ehrst und ihm gehorsam bist? Es kann nur wegen deiner Bosheit sein und weil du immer wieder Unrecht tust.

Hiob:

Warum lässt Gott die Bösen so gut leben? Sie werden alt, die Kraft nimmt sogar zu. Im Glück verbringen sie ihr ganzes Leben, und sterben einen sanften, schönen Tod. Lass uns in Ruhe, sagen sie zu Gott. Von deinem Willen wollen wir nichts wissen. Bist du so mächtig, müssen wir dir dienen? Sie glauben, ihres Glückes Schmied zu sein. Doch ihre Art zu denken, liegt mir fern. Ich kann nach Osten gehn, dort ist Gott nicht; und auch im Westen ist er nicht zu finden. Ist er im Norden tätig, seh ich's nicht; versteckt er sich im Süden, weiß ich's nicht. Mein Fuß hielt sich ganz genau an seine Spur. Doch Gott allein bestimmt - wer will ihn hindern? Was er für mich geplant hat, setzt er durch. So oft ich an ihn denke, zittere ich. Weil er so mächtig ist, macht er mir Angst.

Alle drei:

Du denkst doch nicht, er zieht dich vor Gericht, weil du ihn ehrst und ihm gehorsam bist? Es kann nur wegen deiner Bosheit sein und weil du immer wieder Unrecht tust.

Hiob:

Ich denke nicht daran, euch Recht zu geben; bei meiner Unschuld bleib ich, bis ich sterbe! Dass ich im Recht bin, geb ich niemals auf; denn mein Gewissen weiß von keiner Schuld!

 

No.12 Chor: Von der Weisheit

Chor:

Da gibt es Orte, wo sich Silber findet, und Plätze, wo das Gold gewaschen wird. Tief in der Erde gräbt der Mensch nach Eisen und Kupfer schmilzt er aus den Steinen. Er lässt sich von der Finsternis nicht hindern, aus tiefstem Dunkel holt er das Gestein. Er gräbt die Schächte tief hinab ins Erdreich, schwebt überm Abgrund, klammert sich ans Seil. Hier oben, auf der Erde, wächst das Korn; dort unten, in der Erde, wird gewühlt, dass alles aussieht wie nach einem Feuer. Im Felsgestein gibt es die Saphire und auch der Goldstaub ist darin zu finden. Kein wildes Tier war je an diesem Ort. Allein der Mensch legt Hand an das Gestein, wühlt ganze Berge um und findet dabei viele Kostbarkeiten. Die Weisheit aber - wo ist sie zu finden? Und wer kann sagen, wo die Einsicht wohnt? Hier bei den Menschen findet sie sich nicht und ihren Kaufpreis kann kein Händler nennen. Man kauft sie nicht, man tauscht sie auch nicht ein, für Gold und Silber ist sie nicht zu haben, Wo ist ihr Ort? Wo kommt die Weisheit her? Und wer kann sagen, wo die Einsicht wohnt? Die tiefste Tiefe sagt: Hier ist sie nicht! Hier hat sie keine Wohnung, sagt das Meer. Kein Lebender hat sie je gesehen, kein Vogel hat sie je im Flug erspäht. Sogar der Abgrund und der Tod bekennen: Wir haben bloß mal von ihr reden hören. Nur Gott, sonst niemand, kennt den Weg zu ihr. Als er dem Meer die Kraft und Maße gab, da sah er auch die Weisheit, prüfte sie und nahm sie auf. Danach gab Gott den Menschen diese Regel: Den Herrn stets zu achten, das ist Weisheit. Und alles Unrecht meiden, das ist Einsicht.